Donnerstag, 24. März 2011

Stellungnahme der Familie zur Verfahrenseinstellung

Wie nicht anders zu erwarten, hat die Familie des Verstorbenen mit einer gewissen Verbitterung darauf reagiert, dass nun offensichtlich doch kein Verantwortlicher der Filmgesellschaft zur Rechenschaft gezogen wird. In einem offenen Brief hat man sich an die ndf sowie den Auftraggeber der Produktion, das ZDF, gewendet:

Liebe Geschäftsführer der ndf,

am heutigen Tage bekamen wir als Angehörige des verunglückten Komparsen Horst Huber Bescheid, dass die von uns gegen die ndf eingereichte Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft München II nicht weiter verfolgt werden wird. Hierzu möchten wir Ihnen herzlich gratulieren!

Offenbar waren alle Ihre Arbeitsverträge juristisch so ausgeklügelt formuliert, dass weder die ndf-Produktionsmitarbeiter vor Ort noch deren Weisungsbefugte in irgendeiner Form für den Unfalltod beim Dreh für „Zwei Ärzte sind einer zuviel“ zur Verantwortung gezogen werden konnten.

Besagte Mitarbeiter der Produktion konnten vor Gericht nämlich glaubhaft versichern, dass sie keine Schuld an dem Unfall trügen, da die Insassen des Bootes sich selbst – und für die ndf in keinster Weise vorhersehbar – in Gefahr gebracht hätten. Betrachtet man die Akten, so kann dies freilich nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Allein achtmal wird etwa die Existenz eines sogenannten „Storyboards“ erwähnt, welches das Kanu in der Mitte des Sees zeigt. Der Dreh war also von Anfang an keineswegs nur in der Weise konzipiert, als dass das Boot lediglich „am Ufer rumschippern“ sollte, wie dies vor Gericht ausgesagt wurde. Ergo, Sicherheitsmaßnahmen hätten unbedingt getroffen werden müssen. Nur, wer trägt für diese Unterlassung eigentlich die Verantwortung?

Eine faszinierende Kette der Verantwortungsdelegation ist nun entstanden: Das ZDF gibt der ndf die Verantwortung für die Produktion, die ndf-Leitung wiederum delegiert diese Verantwortung kraft ihrer Arbeitsverträge an die Mitarbeiter vor Ort – und letztere hatten keine Ahnung, wie der Dreh eigentlich ablaufen sollte. Respekt, dass diese Argumentation vor Gericht und nun auch beim Abschmettern der Strafanzeige durch die Staatsanwaltschaft Gehör gefunden hat. Letztendlich wurden nun also keine Mitarbeiter der ndf belangt, obwohl in den Akten die schwersten Versäumnisse mehr als greifbar sind. Justitia war definitiv auf Ihrer Seite.

Es wird Sie wahrscheinlich zusätzlich freuen, dass wir auch auf weitere zivilrechtliche Schritte verzichten werden, da wir einen weiteren Prozess wohl nervlich schwer durchstehen würden. Auch hier möchten wir Ihnen zu Ihrem Erfolg auf ganzer Linie gratulieren. Sie hatten ja in Ihrem ersten Schreck eine „Soforthilfe ohne Anerkennung einer Schuld“ an die Witwe gezahlt, der Betrag entsprach in etwa fünf Prozent des Gehalts einer Ihrer Geschäftsführer. Auch finanziell kamen Sie hier also mit weniger als einem blauen Auge davon.

Abschließend möchten wir Ihnen für die Zukunft noch alles Gute wünschen. Setzen Sie Ihre Art des Arbeitens bitte fort, sparen Sie an den Sicherheitsmaßnahmen, verzichten Sie auf Unfallversicherungen für Ihre Drehs. Im unwahrscheinlichen Fall eines erneuten Unglücks schieben Sie die Schuld einfach auf die Verunglückten selbst oder auf einen Ihrer „Freelancer“, wie in unserem Falle auf den Piloten des Hubschraubers und speisen Sie dann die Hinterbliebenen großzügig mit etwas Blutgeld ab. Und, ganz wichtig, weisen Sie auf alle Fälle jegliche moralische Verantwortung weit von sich!

Auf diese Weise werden Sie noch weiterhin und erfolgreich anspruchsvolle Kleinkunst für das ZDF und andere Kunden produzieren. Dass diese Kunden irgendwann einmal Ihre Produktionsmethoden hinterfragen könnten, ist eher unwahrscheinlich. Das Entscheidende in Ihrer Branche ist ja, dass Sie so kostengünstig produzieren können.

Die seit dem 11. Oktober 2007 auf drei Mitglieder reduziert Familie Huber verbleibt hiermit mit den herzlichsten Grüßen und erlaubt sich lediglich eine letzte Frage:

Wie schlafen Sie eigentlich allesamt nachts?

Freitag, 18. März 2011

Staatsanwaltschaft München II eröffnet kein Strafverfahren gegen ndf

Offenbar eröffnet die Münchner Staatsanwaltschaft nun doch kein Verfahren aufgrund der von der Familie des Opfers gestellten Strafanzeige. Eine Stellungnahme von Staatswaltschaft, ndf oder Familie liegt zum bisherigen Zeitpunkt noch nicht vor. Sobald hier Material verfügbar ist, wird es in diesem Blog zur Verfügung gestellt werden.

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Montag, 2. August 2010

Pilot scheitert mit Revision

Der Pilot ist mit seiner Revision nun letztinstanzlich gescheitert. Damit ist die Verurteilung aus dem Berufungsverfahren rechtskräftig. Der Pilot gilt nun strafrechtlich als vorbestraft. Auf ihn dürften auch zivilrechtliche Forderungen der Hinterbliebenen zukommen.

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Mittwoch, 17. März 2010

Lockerer Umgang mit Sicherheit auch bei anderen Produktionen

Die Fachzeitschrift cinearte berichtet in ihrer Ausgabe vom 11. Februar diesen Jahres ausgiebig über den Unfalltod des Horst H. (http://www.cinearte.net/).

Im Artikel wird sehr deutlich, dass offenbar nicht nur die ndf "kreativ" beim Thema Sicherheit ist. Zitiert wird der Filmbeauftragte Joachim Bayersdörfer der Berufsgenossenschaft: "Draußen geht es lockerer zu. Nicht bewusst, sondern aus fachlicher Unkenntnis". Es werden mehrere schwere Versäumnisse bei aktuelleren Produktionen aufgeführt, die zum Glück aber nicht zu einer solchen Katastrophe wie der beim ndf-Dreh geführt haben. Wahrscheinlich aus purem Glück.

Es bleibt nun nur zu hoffen, dass sich die Staatsanwaltschaft München ausführlich mit der Strafanzeige im aktuellen Fall beschäftigen wird, und diese dann auch zu einer Anklage und Verurteilung der Verantwortlichen der ndf führen möge. Wahrscheinlich kann nur so ein eindeutiges Signal an die Branche gesendet werden, dass Sicherheitsbestimmungen nicht nur lästige Vorschriften sondern zumeist schlicht und ergreifend lebensrettende Maßnahmen sind.

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Mittwoch, 3. März 2010

Keine Einsicht in eigenes Fehlverhalten – Pilot legt Revision ein

Die Anwälte des Piloten Johann S. geben nicht klein bei und beantragen Revision. Und dies obwohl die Erfolgsaussichten laut Anwalt der Nebenklage als „gegen null gehend“ zu beschreiben sind. Was treibt also den Verurteilten und dessen Anwälte an, das Urteil des Berufungsgerichts aufs Neue anzufechten? Abgesehen von eventuellen finanziellen Interessen der Anwälte dürfte wohl die Unfähigkeit des Piloten im Vordergrund stehen, sich selbst auch nur ansatzweise die eigene (Teil)Schuld an der Tragödie einzugestehen. Dies zeigte sich bereits bei den beiden Verhandlungen. Trotz eines eindeutigen Videobeweises sowie klaren Stellungnahmen aller Gutachter gab der Pilot bis zuletzt nicht zu, dass er einen Flugfehler begangen hatte oder auch nur in irgendeiner Weise an dem Unglück überhaupt beteiligt war. Es war spürbar, dass er damit nicht nur das Unverständnis der im Gerichtssaal anwesenden Angehörigen des Verunglückten auf sich zog sondern vielmehr den gesamten Gerichtssaal latent gegen sich aufbrachte.

Hierzu sei eine persönliche Stellungnahme des Blog-Herausgebers erlaubt: Die absolute Unfähigkeit, sich zur eigenen Verantwortung zu bekennen und Fehler (die ja passieren können!) einzugestehen, ist meiner Meinung nach ein schwerer charakterlicher Mangel. Auch wenn manche den Piloten als eine Art „Baueropfer“ sehen, da ja auch andere Beteiligte sich schwererer – noch ungesühnter – Versäumnisse schuldig gemacht haben, so kann die Allgemeinheit wohl dennoch froh sein, dass ein charakterlich so fragwürdiger Mensch aufgrund des Urteils wohl nie wieder eine potentiell gefährliche Maschine wie einen Hubschrauber bedienen werde dürfte. Wer seine eigenen Verantwortlichkeiten nicht kennt, andere fahrlässig, aus welchen Gründen auch immer, in Gefahr bringt und dann nicht einmal zu den eigenen Fehlern stehen kann, der sollte in dieser Gesellschaft seine Zulassung als Berufspilot verspielt haben.

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Dienstag, 23. Februar 2010

Pilot scheitert mit Berufung

Der Pilot ist mit seiner Berufung gescheitert. Das Landgericht München bestätigte am gestrigen Abend die ursprüngliche Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und erhöhte sogar die Anzahl der Tagessätze von 120 auf 140. Als Grund für letzteres nannte der Richter die "Uneinsichtigkeit des Beschuldigten in das eigene Fehlverhalten".

Es bleibt nun abzuwarten, ob die Anwälte des Piloten Revision gegen das Urteil einlegen werden. Die Frist für eine Revision läuft am 01.03 ab. Ein ausführlicher und abschließender Kommentar zum Urteil wird in diesem Blog dann in Kürze veröffentlicht.

Montag, 8. Februar 2010

Eine Art "Bauernopfer"

Das folgende Interview wurde mit dem Sohn des Verstorbenen, Oliver H., nach dem zweiten Verhandlungstag im Berufungsprozess um den Tod seines Vaters geführt.

Karl Josef: Guten Tag, Herr H. Sie haben sich gerade im Gerichtssaal mehrere Male das Filmmaterial mitsamt der Kenterszene des Kanus ansehen müssen, in dem auch Ihr Vater saß. Wie fühlen Sie sich jetzt?

Oliver H.: Die Filmaufnahmen wurden bereits beim ersten Prozess vor Gericht in Miesbach gezeigt. Ich hatte mich damals aber entschieden, bei der Vorführung nicht auf die Leinwand zu sehen, um nicht später dann über Jahre hinweg diese Bilder im Kopf zu haben. In der Zwischenzeit sind jedoch so viele Diskussionen zwischen Anwälten, Verantwortlichen der Filmfirma, deren Versicherungen und weiteren Beteiligten geführt worden, bei denen es stets um die Ursache des Kenterns ging. Erst neulich hatten wir ein Schreiben der HDI Gerling Versicherung erhalten, über welche der Arbeitgeber des Piloten versichert war, in welchem die Sachbearbeiter zahlreiche Gründe für die Havarie nennen: die Unerfahrenheit der Komparsen, die hohen Wellen, eine natürliche Windböe …

KARL JOSEF: … nur der Hubschrauber soll laut der Versicherung völlig unbeteiligt sein?

OLIVER H.: Richtig. Da mir aber meine Mutter, unser Anwalt und weitere Personen, welche die Filmszenen bereits im ersten Prozess gesehen haben, versicherten, die Bilder bewiesen eindeutig den kausalen Zusammenhang zwischen tiefliegendem Hubschrauber und Kentern des Bootes, habe ich mich nun doch entschlossen, diesmal den Film auch zu betrachten. Um auf Ihre ursprüngliche Frage einzugehen, ich fühle mich schlecht. Der Filmausschnitt zeigt ja die letzten Momente im Leben meines Vaters. Da der Helikopter wirklich sehr tief fliegt, konnte ich meinen Vater natürlich trotz Verkleidung eindeutig an der Statur erkennen.

KARL JOSEF: Was genau zeigt das beschlagnahmte Filmmaterial?

OLIVER H.: Es zeigt im Prinzip drei voneinander unabhängige Schleifen, die der Hubschrauber zu Drehzwecken über dem Kanu gezogen hat. Die erste ist in sehr großer Höhe, die einzelnen Personen im Kanu sind nicht gut auszumachen. Die zweite Schleife ist schon deutlich niedriger, geschätzte 50 Meter oder so. Der Heli fliegt jedoch in Form einer Ellipse um das Boot herum, hält also einen relativ großen Abstand ein.

KARL JOSEF: Und der dritte Anflug, war der dann anders?

OLIVER H.: Das kann man wohl sagen. Interessant zu wissen ist, dass der vernommene Kameramann nach wie vor behauptet, er hätte dem Piloten für die dritte Schleife das Kommando „genau noch mal so wie die letzte Runde“ gegeben. Sieht man sich die Aufnahme aber an, ist dies schwer zu glauben. Der Hubschrauber nimmt eine völlig andere Anflugbahn, er zieht im Prinzip direkt auf das Kanu zu und geht dabei drastisch tiefer.

KARL JOSEF: Wie tief schätzen sie?

OLIVER H.: Schwer zu sagen. Die Aussagen des zweiten Komparsen, der ebenfalls im Boot saß, sowie die des Aufnahmeleiters, welcher das Geschehen vom Ufer aus betrachtete, deuten jedoch darauf hin, dass der Heli wohl deutlich unter zehn Metern über der Wasseroberfläche auf das Boot zuflog. Nur aufgrund der im Gerichtssaal gesichteten Aufnahmen hätte auch ich die Höhe auf deutlich unter zehn Metern geschätzt.

KARL JOSEF: Ist denn auf den Aufnahmen ersichtlich, was genau das Boot umwarf?

OLIVER H.: Absolut! Der Hubschrauber zieht direkt auf das Kanu zu, dreht jedoch kurz vor dem Boot scharf nach rechts ab. Es ist aber auf dem Film sehr gut zu sehen, dass der Druck des Hubschraubers, welcher als sogenannter „Downwash“ oder „Sidewash“ auf die Wasseroberfläche einwirkt, etwas seitlich versetzt vom Hubschrauber auf das Kanu zuläuft und dieses letztendlich mit voller Wucht trifft. Dies ist so eindeutig, da man exakt die Gischt sieht, die, vom Hubschrauber verursacht, auf das Kanu zuläuft wie eine Flutwelle. Diese Gischt unterscheidet sich vollkommen von den übrigen, eher flachen und gleichmäßigen Wellen auf dem See.

KARL JOSEF: Also diese vom Hubschrauber verursachte Flutwelle hat das Boot dann „umgespült“?

OLIVER H.: Wohl in Kombination mit dem unglaublichen Wind, der vom „Downwash“ erzeugt wurde. Es ist ganz deutlich zu sehen, dass einem der drei Komparsen durch diese starke Böe die Kopfbedeckung vom Kopf gefegt wird. Das nach innen offene Kanu hat dann wohl auf der rechten inneren Seite sowie der linken äußeren den kompletten Wind „gefangen“ und ist dadurch in einer schnellen Bewegung zur Seite gekippt. Die Insassen hatten keine Chance, auch nur irgendwie zu reagieren, das hat man ganz deutlich gesehen. Das ging so unglaublich schnell.

KARL JOSEF: Entschuldigen Sie die Frage, aber, hat man die Komparsen dann im Wasser noch gesehen?

OLIVER H.: [längere Pause] Nein, der Hubschrauber ist ja direkt vor dem Boot eine Rechtskurve geflogen, das Kanu ist also aus dem linken Bildrand verschwunden.

KARL JOSEF: Könnte man zusammenfassend also sagen, dass aus den Filmaufnahmen der Flugfehler des Piloten eindeutig hervor geht?

OLIVER H.: Man kann zumindest sagen, dass der Abwind des Helis auf der Wasseroberfläche eindeutig zu sehen ist und dieser das Kanu mit voller Wucht trifft. Mein Eindruck ist, dass der Helikopter wohl keine fünf Meter über der Wasseroberfläche war. Da ich aber selbst kein Pilot bin, kann ich auch schwer sagen, ob es ein Pilotenfehler war. Beim nächsten Prozesstag wird allerdings nochmals der Gutacher sprechen, welcher dem Piloten bei der ersten Verhandlung einen genau solchen schweren Flugfehler vorgehalten hat.

KARL JOSEF: Gut, nehmen wir also an, es handelte sich um einen Flugfehler. Ganz böse gesagt, Ihr Vater hätte sich aber dennoch wohl nur ein sehr kaltes Bad gegönnt und wäre ansonsten höchstwahrscheinlich unbeschadet aus der Sache herausgekommen, wären von der Filmfirma geeignete Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden, sehen Sie das vergleichbar?

OLIVER H.: Meiner Meinung nach ist das korrekt. Und jetzt begeben wir uns freilich in einen sehr schmerzhaften und auch moralischen Diskurs. Hier fallen dann sehr schnell Begriffe wie „Schuld“, „Verantwortung“ und „Gewissen“. Fakt ist, es gab keinerlei Absicherung. Fakt ist aber auch, genau solche Sicherungen – Wasserwacht, Schwimmwesten und Neoprenanzüge – waren vorhanden, als mit Schauspielern gedreht wurde …

KARL JOSEF: … wenn ich hier nachfragen darf, dieser Dreh mit den Schauspielern, war der nicht als Kenterszene geplant? War vielleicht deshalb „das volle Programm“ aufgefahren?

OLIVER H.: Das ist richtig. Nun ist hierbei aber zu wissen, dass der Verleiher des Bootes die ndf darauf hingewiesen hat, dass bei Benutzung des Bootes immer passende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen. Egal, ob es sich um „Plantschen“ in Ufernähe oder um eine Tegernseeüberquerung handelt …

KARL JOSEF: … Sie spielen hier darauf an, dass das Unglück in 300 Meter Entfernung vom Ufer stattgefunden hat?

OLIVER H.: Exakt. Und egal, ob dies ursprünglich so geplant war, an die Sicherheit hätte man denken müssen. Die ndf hätte das professionell machen müssen, das war offenbar alles stümperhaft durchgeführt.

KARL JOSEF: Sie sagen „die ndf“ hätte das machen müssen – wer genau war denn nun für die Sicherheit am Dreh verantwortlich?

OLIVER H.: Das ist ja der springende Punkt bei der ganzen Sache. Mal abgesehen vom Fehler des Piloten mache ich mindestens zwei Personen für diese Katastrophe verantwortlich, und zwar den Aufnahmeleiter sowie den Produktionsleiter.

KARL JOSEF: Aber das sind doch genau die beiden Personen, gegen die das ursprüngliche Verfahren in Miesbach eingestellt wurde.

OLIVER H.: Genau. Die Begründung war damals, dass man beiden nicht lückenlos nachweisen konnte, dass der Dreh die Komparsen potentiell in eine gefährliche Situation hätte bringen können.

KARL JOSEF: Aber sagten Sie nicht, die Verleihfirma des Bootes hätte für alle nur denkbaren Verwendungszwecke des Bootes „geeignete Sicherheitsmaßnahmen“ treffen müssen?

OLIVER H.: Völlig richtig. Nur ist dieser Punkt, wie auch einige andere, beim ursprünglichen Prozess in Miesbach irgendwie unter den Tisch gefallen, wie und warum auch immer. Davon abgesehen, konnte auch nicht rekonstruiert werden, wer wann wusste, wie der Dreh genau ablaufen sollte. Etwa gab es keine übereinstimmende Erinnerung, wie weit das Boot vom Ufer wegrudern oder wie tief der Hubschrauber ursprünglich fliegen sollte. Es gab sehr viele Erinnerungslücken der Beteiligten, jedenfalls haben sie sich vor Gericht auf solche so erfolgreich berufen, dass die Verfahren gegen Aufnahmeleiter und Produktionsleiter eingestellt wurden. Es konnte ihnen nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass sie für die Sicherheit verantwortlich waren. Sie beriefen sich darauf, dass sie keine Experten für Sicherheit am Dreh seien, und dass eben niemand im Vorfeld an potentielle Gefahren gedacht hätte. Die ndf selbst hat durch – wohl rechtlich sehr geschickte Verträge – die Verantwortung für die Sicherheit an die jeweiligen Mitarbeiter delegiert, welche sich dann als unfähig erwiesen haben …

KARL JOSEF: … diese Art „Verantwortungsdelegation“ wird aber von Ihnen ja nun angezweifelt, geht es nicht genau darum in der Strafanzeige?

OLIVER H.: Ja, dieser Vorwurf ist tatsächlich ein Teil des Fundamentes auf dem die rechtliche Begründung der Anzeige fußt. Man wird sehen, inwieweit sich das menschlich Verstehbare mit dem juristisch Machbaren verträgt. Wir sind aber sowohl von einer moralischen als auch von einer juristischen Schuld der Filmfirma überzeugt, insofern werden wir sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich alles in unserer Macht stehende unternehmen, um die Verantwortung dieser Firma zu überprüfen.

KARL JOSEF: Sie sprechen von moralischer Schuld. Was ist denn ihr Eindruck, gibt es Prozessbeteiligte auf der Gegenseite – etwa der Pilot, der Aufnahmeleiter, Produktionsleiter oder gar die Geschäftsführung der ndf – bei denen eine gewisse Einsicht in die eigene Verantwortung – um nicht das Wort „Schuld“ zu gebrauchen! – bereits eingetreten ist.

OLIVER H.: Hier muss man differenzieren. Die Geschäftsführung hat sich außer von zwei Anrufen bei meiner Mutter so gut wie komplett aus der ganzen Geschichte herausgehalten oder strikt abweisend verhalten. Wir wollten beispielsweise die ganze zivilrechtliche Angelegenheit außergerichtlich regeln, einfach um die eigenen Nerven nicht noch weiter über die Maßen zu belasten. Unser Anwalt hat hierbei eine Einigung vorgeschlagen, die für eine so große Firma wie die ndf finanziell ein eher symbolischer Beitrag zur Wiedergutmachung gewesen wäre. Die Anwälte der Firma haben dies allerdings mit einem eher brüsken Standardschreiben beantwortet. Man hat wirklich den Eindruck, die sind sich überhaupt nicht bewusst, zu was für einer menschlichen Tragödie es bei einem von ihnen zu verantwortenden Dreh gekommen ist.

KARL JOSEF: Und die anderen Beteiligten?

OLIVER H.: Der Produktionsleiter beruft sich darauf, dass er lediglich für das Budget des Drehs zuständig war. Allerdings hat der Aufnahmeleiter ihn meiner Meinung nach schwer belastet, indem er von einem Gespräch berichtet hatte, in welchem es um das Budget für den Hubschrauber ging. Es waren wohl noch 3000 Euro für diesen Dreh vorhanden, knapp 3000 hat dann auch der Hubschraubereinsatz selbst gekostet. Wären drei professionelle Stuntmen, wie erforderlich, eingesetzt worden, dann hätte jeder von denen mit weiteren 1000 Euro zu Buche geschlagen. Jeder der Komparsen wurde hingegen mit 50 Euro abgespeist – gut, die Gage für meinen Vater haben die sich dann ja auch noch gespart … Entschuldigung, aber es ist schwer, hier nicht polemisch zu werden!

KARL JOSEF: Das ist zu verstehen, kein Problem. Um aber auf die Frage zurückzukommen, was für einen Eindruck haben sie denn vom Aufnahmeleiter und dem Piloten.

OLIVER H.: Der Pilot tut sich meiner Meinung nach hauptsächlich selbst leid, der sieht sich als Art „Bauernopfer“. Was er auf eine bestimmt Art und Weise auch ist, der hält den Kopf für die anderen hin. Andererseits ist sein Flugfehler aber auch so drastisch dokumentiert, auch wenn ihm anderen den Auftrag zum waghalsigen Flug gegeben hätten, als Profi hätte er dies ablehnen müssen. Ganz sicher. Mit dem Aufnahmeleiter tue ich mich persönlich am schwersten …

KARL JOSEF: … habe ich das richtig in Erinnerung, dass genau dieser in Miesbach Ihnen die Hand geben wollte, Sie dies aber abgelehnt hatten.

OLIVER H.: Ja, so ist dies damals tatsächlich gewesen. Aus heutiger Sicht sehe ich dies teilweise als einen Fehler meinerseits an. Wenn der Aufnahmeleiter nicht selbst ein begnadeter Schauspieler ist, dann macht es wirklich den Eindruck, als wäre er der einzige der damals Beteiligten der im Wortsinne offensichtlich unter dem Vorfall leidet. Das macht schon seine Wortwahl deutlich, er spricht zumeist von „der Katastrophe“, wenn er über den Vorfall spricht. Dem macht sein Gewissen ganz offenbar schon schwer zu schaffen, das kann man nicht übersehen. Auf der anderen Seite werfe ich ihm aber vor, beim ersten Prozess nicht reinen Tisch gemacht zu haben. Auf die Fragen des Gerichts nach Verantwortlichkeiten bezüglich der Sicherheit beim Dreh hat er alles getan, um sich aus der Sache irgendwie rechtlich wieder herauszuziehen.

KARL JOSEF: Eine menschliche Verhaltensweise?

OLIVER H.: Ganz sicher, fast jeder würde das so machen, da bin ich mir sicher. Er hatte ja auch Erfolg damit, sein Verfahren wurde gegen die Zahlung einer Geldbuße dann ja auch endgültig eingestellt. Er ist beim Berufungsprozess daher auch nur als Zeuge vernommen worden – allerdings mit Rechtsbeistand.

KARL JOSEF: Hat er beim Berufungsprozess seine Einschätzung der Dinge dann einfach wiederholt, oder gab es hier Änderungen im Erinnerungsverhalten?

OLIVER H.: Schön gesagt! Nein, die Erinnerung war ungefähr dieselbe. Interessant war aber, dass er – anders als noch in Miesbach – vor dem Landgericht München eine Teilschuld eingestand, da er sich selbst – jedenfalls zum Teil – in der Verantwortung für die Sicherheit am Dreh sah. Er habe über die Sicherheit auch im Vorfeld mit dem Produktionsleiter gesprochen, sie hätten dann beide übereinstimmend beschlossen, dass der Dreh völlig ungefährlich sei und daher auf sämtliche Maßnahmen verzichtet werden könne.

KARL JOSEF: Eine fatale Fehleinschätzung.

OLIVER H.: So kann man es auch ausdrücken. Aufgrund der Verfahrenseinstellung ist der Aufnahmeleiter aber nicht mehr rechtlich zu belangen – insofern konnte er also ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen sein Gewissen entlasten, indem er eine Teilschuld öffentliche eingestanden hat.
Wie dem auch sei, ich bin mir bis heute nicht sicher, ob diese Filmleute alle einfach nur stümperhaft gearbeitet haben, oder ob das Einsparen von Geld im Vordergrund stand. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich hoffe, es war das Erstere. Fehler, auch eine Kette von Fehlern kann man verzeihen, ganz klar, schlimme Dinge passieren einfach manchaml. Wenn das Ganze aber eine bewusste Budget-Optimierung war, dann ist dies unverzeihbar. Dann ist das wirklich ein menschlich Abgrund, dann frage ich mich auch, wie die Verantwortlichen nachts ruhig schlafen können.

KARL JOSEF: Herr Dr. H., ich danke Ihnen für das offene und ausführliche Gespräch.

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Samstag, 6. Februar 2010

Berufungsprozess verlängert

Der Berufungsprozess wurde um einen Tag auf den 22. Februar verlängert. An diesem Tag wird auch mit dem Urteil gerechnet.

Als nächsten Blog Beitrag planen wir ein Interview mit dem Sohn des Verunglückten über dessen Impressionen der ersten beiden Prozesstage.

Nach dem Urteilsspruch werden Sie hier an dieser Stelle auch zeitnah einen abschließenden Kommentar zum Prozess vorfinden.

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Dienstag, 2. Februar 2010

Stellungnahme der Familie in der Münchner Abendzeitung

In der Münchner Abendzeitung erschien bereits am 14. Januar ein weiterer Bericht zum nun stattfindenden Berufungsprozess. Hier wird auch nochmals auf die Motivation der Familie eingegangen, troz hoher psychischer Belastung weiterhin um eine rechtliche Aufklärung der Vorfälle zu kämpfen: Die Tatsache, dass bis heute niemand die eigentliche Verantwortung übernommen hat für die fast unglaubliche Serie von Fehlentscheidungen und Versäumnissen während des damaligen Filmdrehs:

MÜNCHEN "Die Filmwelt hat meinen Vater fasziniert", erinnert sich Oliver H.
(38). Doch seine Faszination wurde dem 67-jährigen Komparsen zum Verhängnis. Als Double von Elmar Wepper kenterte Horst H. am 11. Oktober 2007 mit einem Kanu, weil der Hubschrauber mit Kamera zu nah rangeflogen war. Der filmbegeisterte Rentner ertrank im Tegernsee. Seitdem beschäftigt der Vorfall die Justiz.

Pilot Johann S. war vom Amtsgericht Miesbach wegen fahrlässiger Tötung zu einer
Geldstrafe verurteilt worden. Doch er geht in Berufung, will das Urteil, das ihm
die Hauptschuld an dem Unglück gibt, nicht auf sich beruhen lassen. Jetzt hat
auch Oliver H. Anzeige gegen die Geschäftsführung der Unterföhringer
Filmproduktion erstattet. Wegen fahrlässiger Tötung.

"Was mich vor allem stört, ist die Ungleichbehandlung", sagt der 38-Jährige.
Während die TV-Stars Elmar Wepper und Wolfgang Fierek mit allen erdenklichen
Sicherheitsmassnahmen bedacht wurden, liess man die Komparsen ohne
Neopren-Anzüge, Schwimmwesten, Kenterschläuche und Aufsicht der Wasserwacht
drehen. Als sich dann der Hubschrauber dem Kanu auf wenige Meter näherte, kam es
zur Katastrophe.

"Meine Mutter hat mich in Neuseeland erreicht, wo ich damals arbeitete. Es war
ein Schock", so Oliver H.

Die Leitung der Filmproduktion habe sich schriftlich bei seiner Mutter gemeldet,
ihr Beileid ausgedrückt, aber im gleichen Brief darauf hingewiesen, dass dies
kein Schuldeingeständnis sei. Das ist Oliver H. zu wenig. Den verurteilten
Hubschrauber-Piloten sieht er eher als Bauernopfer. Und das Verfahren gegen die
mitangeklagten Aufnahme- und Produktionsleiter hatte der Miesbacher Richter
eingestellt. Als Reaktion schrieb Oliver H. an die Justizministerin: "Wir
wünschen uns, dass diese unsagbare Schweinerei nicht völlig ungesühnt bleibt."

"Ich denke schon, dass wir auch zivilrechtlich etwas machen werden." Auch wenn
das nicht viel einbringt und für die Angehörigen grossen emotionalen Stress
bedeutet. Warum er sich das trotzdem antut? "Vieles ist unaufgeklärt geblieben.
Ich stehe vor der Tatsache, dass mein Vater tot ist und keiner so richtig die
Verantwortung übernimmt."
John Schneider
(Abendzeitung München)

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Donnerstag, 28. Januar 2010

Auftakt des Berufungsprozesses - "Es war wie im Krieg"

Beim heutigen Auftakt des vom Piloten des Unglückshubschraubers erzwungenen Berufungsprozesses haben auch die beiden Überlebenden der Kanubesatzung ausgesagt. Einer dieser beiden Komparsen, Heinz Brenner, erhebt schwerste Vorwürfe gegen die Neue Deutsche Filmgesellschaft (ndf), die ja bekanntlich im Auftrag des ZDF die Aufnahmen durchgeführt hatte: "Für Brenner trägt die Filmgesellschaft die Verantwortung für das Unglück. Als die Stars Elmar Wepper und Wolfgang Fiereck drehten, sei die Wasserwacht bereit gewesen. Als die Komparsen auf dem See arbeiteten, habe es niemand für nötig befunden, dass Retter für alle Fälle bereitstanden." (Münchner Merkur Online Erster Artikel, Münchner Merkur Online Zweiter Artikel)

Auch der Pilot beschuldigt die ndf schwer, denn "er habe lediglich die Anweisungen der Filmleute befolgt, führte er aus." Es stellt sich also die Frage, warum wurde dies im ersten Prozess gar nicht verhandelt? Vielleicht möchte sich am Ende der Pilot ja noch der Strafanzeige anschließen, welche der Sohn des Verstorbenen Ende 2009 gegen die ndf gestellt hat.

Wir werden an dieser Stelle weiter über den Prozess berichten. Die Urteilssprechung ist auf nächste Woche Donnerstag terminiert.

Montag, 25. Januar 2010

ndf lehnt außergerichtliche Einigung strikt ab

Wohl hauptsächlich um sich vor weiteren psychischen Belastungen so gut wie möglich zu schützen, hat die Familie des verunglückten Komparsen nun versucht, sich außerhalb der Gerichte zivilrechtlich mit der ndf zu einigen. Die im Auftrag des ZDF agierende Neue Deutsche Filmgesellschaft jedoch sieht "keinerlei Veranlassung", auf diesen Einigungsversuch einzugehen, da sie nach wie vor jede Verantwortung strikt ablehnt. Sie beruft sich hierbei auf die Tatsache, dass es sich bei dem Unglück um einen anerkannten Arbeitsunfall handle, und die Firma damit rechtlich auf der sicheren Seite sei, selbst wenn es zu "unerlaubten Handlungen [oder Unterlassungen; der Autor]" gekommen sein möge, die dann ursächlich für den Arbeitsunfall waren.

Vom gesunden Menschenverstand her eine nicht nachvollziehbare Argumentation. Die Familie lässt die Einwände nun juristisch prüfen und wird aller Voraussicht nach nun auch bald zivilrechtlich klagen.

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Mittwoch, 30. Dezember 2009

Strafanzeige gegen die Geschäftsführung der ndf

Einen Monat vor Beginn des Berufungsverfahrens gegen den Unglückspiloten haben die Anwälte der Familie nun Strafanzeige gegen die Geschäftsführer der ndf gestellt. Hier nun der Wortlaut der Anzeige:

Staatsanwaltschaft München II
Arnulfstr. 16-18
80335 München

S t r a f a n z e i g e u n d S t r a f a n t r a g

gegen 1. XXX, c/o neue deutsche Filmgesell-
schaft mbH, Kanalstraße 7, 85774 Unterföhring

2. XXX, c/o neue deutsche Filmgesellschaft mbH,
Kanalstraße 7, 85774 Unterföhring

3. XXX, XXX, 12683 Berlin

und zeigen unter Vorlage der in der Anlage beigefügten Strafprozessvollmachtskopie an, dass wir Herrn Dr. Oliver Huber, xxx, xxx, anwaltlich vertreten.

Namens und in Vollmacht unseres Mandanten stellen wir

S t r a f a n t r a g

wegen fahrlässiger Tötung sowie wegen aller anderen in Betracht kommender Straftatbe-stände und erstatten namens und in Vollmacht unseres Mandanten

S t r a f a n z e i g e

gegen die Beschuldigten und bitten höflich um weitere Veranlassung.

I.

Zum Sachverhalt führen wir Folgendes aus:

Am 11.10.2007 fanden auf dem Tegernsee Filmaufnahmen der neue deutsche Filmgesell-schaft (ndF GmbH) für den Film „Zwei Ärzte sind einer zuviel“ im Auftrag des ZDF statt. Am Drehtag 11.10.2007 sollten drei Komparsen mit einem Kanu der Marke „Gatz Cherokee 500“ kostümiert und ohne Schwimmwesten auf den Tegernsee rudern, wobei mittels eines Hub-schraubers der Marke „Bell 2006 Longranger L3“ die Anfertigung von Luftaufnahmen erfol-gen sollte. Zu diesem Zweck startete der Berufspilot XXX, geb. am 10.06.1960, Egling 2, 84431 Rattenkirchen, mit Angehörigen des Filmteams am 11.10.2007 gegen 12.15 Uhr in Kreuth, Landkreis Miesbach, mit dem Hubschrauber, wobei sich der Hub-schrauber infolge der Besetzung mit fünf Personen an der Belastungsgrenze befand.

Nach der Aufnahme von Landschaftsbildern näherte sich gegen 12.30 Uhr der Pilot XXX dem Kanu auf eine Höhe von maximal 10 Meter und auf eine Entfernung von ma-ximal 2 Rotorendurchmessern. Das Kanu befand sich zu diesem Zeitpunkt nördlich der Ort-schaft Steinfeld, Gemeinde Tegernsee, Landkreis Miesbach. Durch den Rotorenabstrahl des Luftfahrzeugs kenterte das Kanu, an dem keine Kenterschläuche angebracht waren, was dazu führte, dass der Geschädigte Horst Huber sowie die weiteren Komparsen in den nur 11,5 Grad kalten Tegernsee stürzten. Obgleich sich maximal zehn Minuten nach dem Unfall Herr XXX sowie weitere Personen mit einem Boot den Gekenterten näherten, konnte nicht verhindert werden, dass sich der mit einem schweren Lederkostüm bekleidete Geschädigte Horst Huber, der schwimmen konnte, infolge Erschöpfung nicht mehr über Wasser halten konnte, unterging und ertrank. Die Wassertiefe an der Unfallstelle betrug 39 Meter.

Der Geschädigte Horst Huber hatte bei Fertigung dieser Filmszene weder einen Neoprenanzug noch eine Schwimmweste getragen. Die Wasserwacht Bad Wiessee wurde für den 11.10.2007 nicht mit Sicherungsmaßnahmen beauftragt. Diese war nur für Dreharbeiten mit den Originalschauspielern am 09.10.2007 und 12.10.2007 beauftragt worden. Eine Einwei-sung der Geschädigten in die Handhabung des Kanus erfolgte entgegen § 17 Abs. 2 BGV C1 nicht. An dem Kanu waren keine Kenterschläuche angebracht. Somit war das Kanu vom Typ Cherokee 500 für die Verwendung der Dreharbeiten nicht zulässig. Sämtliche Umstände hätten durch Nachfrage bei den zuständigen Behörden, insbesondere der zuständigen Berufsgenossenschaft, unschwer erfragt werden können. Die Beschuldigten waren am 11.10.2007 Geschäftsführer der ndF GmbH, der Beschuldigte zu 3) der Herstellungsleiter und somit für die Einhaltung der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften rechtlich verantwortlich.

Der objektiv und für die Beschuldigten vorhersehbare Unfall und seine schweren Folgen hät-tem bei Einhaltung der folgenden Vorschriften vermieden werden können:

Nach § 4 Abs. 1 der BGV A1 hätten die Komparsen über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei den Dreharbeiten, insbesondere über die mit den Dreharbeiten verbundenen Gefährdungen und die Maßnahmen zu ihrer Verhütung entsprechend § 12 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz unterwiesen werden müssen. Diese Unterweisung hätte dokumentiert werden müssen.

Nach § 7 Abs. BGV A1 hätte vor Anordnung der Dreharbeiten geprüft werden müssen, ob die Komparsen befähigt waren zu schwimmen, und die berufsgenossenschaftlichen Bestim-mungen und Maßnahmen waren einzuhalten.

Nach § 23 BGV A1 hätten geeignete organisatorische Schutzmaßnahmen getroffen oder erforderlichenfalls Schutzausrüstungen zur Verfügung gestellt werden müssen, zumal die Komparsen im Freien beschäftigt wurden und infolge des Wettergeschehens Unfall- und Gesundheitsgefahren bestanden.

Nach § 24 BGV A1 hätte der Beschuldigte dafür Sorge tragen müssen, dass das zur Ersten Hilfe und zur Rettung aus Gefahr erforderliche Personal zur Verfügung steht. Nach § 25 Abs. 1, 3 BGV A1 hätten Rettungsgeräte und Rettungstransportmittel bereitgehalten werden müssen. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 BGV C1 hätte ein Ersthelfer zur Verfügung gestellt werden müssen.

Die Beschuldigten hätten somit den Unfall und seine schweren Folgen vermeiden können, wenn er die vorbezeichneten berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften eingehalten und insbesondere Personal der Wasserwacht während des Drehtages bestellt hät-ten. Der Tod des Geschädigten Huber wäre auch vermieden worden, wenn die Beschuldigten, wozu sie aufgrund der vorbezeichneten Vorschriften verpflichtet waren, dem Geschädigten eine Schwimmweste oder einen Neoprenanzug zur Verfügung gestellt hätten.

II.

Aufgrund des geschilderten Sachverhalts besteht daher der Verdacht, dass die Beschuldig-ten sich einer fahrlässigen Tötung strafbar gemacht haben. Namens und in Vollmacht unseres Mandanten wird daher gebeten, zeitnah die erforderlichen Ermittlungen gegen die Beschuldigten aufzunehmen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft München II unter dem Aktenzeichen: 51 Js 38528/07 bereits ein Ermittlungsverfahren gegen drei anderweitig Beschuldigte geführt hat. Mit Urteil des Amtsgerichts Miesbach vom 08.07.2009 wurde der Berufspilot XXX zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je € 30,00 verurteilt (vgl. die in der Anlage beigefügte Urteilsabschrift).

Das Strafverfahren gegen die anderweitig Verfolgten XXX, geb. am 25.06.1953 in Hamburg, Frundsbergstr. 31, 80634 München, sowie gegen Herrn XXX, geb. am 01.05.1967 in München, Görzer Str. 33, 81669 München, wurde jeweils gegen Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153 a Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt.

III.

Nach Durchführung der entsprechenden Ermittlungen wird bereits jetzt die Gewährung von

Akteneinsicht

für die Dauer von drei Tagen durch Übersendung der amtlichen Ermittlungsakte in unsere Kanzlei beantragt.

Die unverzügliche Rückgabe der Ermittlungsakte nach erfolgter Akteneinsicht wird anwaltlich versichert.

Bereits jetzt wird mitgeteilt, dass auf die Übersendung einer etwaigen Einstellungsverfügung nicht verzichtet wird.

Sollte die Ermittlungsbehörde den Anzeigeerstatter für weiter darlegungs- und/oder beweisbedürftig erachten, wird höflich um einen entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Hinweis gebeten.

Jürgen Langer
Rechtsanwalt

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Montag, 14. Dezember 2009

Terminansetzung: Berufungsverfahren am 28. Januar

Das vom Piloten des Unglückshubschraubers angestrebte Berufungsverfahren startet am 28. Januar am Landgericht München II. Es ist auf zwei Verhandlungstage angesetzt, der zweite Prozesstag ist für den 04. Februar terminiert.

Wir werden an dieser Stelle über den Verlauf und den Ausgang des Verfahrens berichten. Außerdem ist geplant, bald den Text der Strafanzeige gegen die ndf in diesem Blog zu veröffentlichen.

Montag, 26. Oktober 2009

Das Fazit: Strafanzeige gegen die ndf

Die Zusammenfassung der Geschehnisse rund um den Prozess möchte ich dem Sohn des Verunglückten selbst überlassen.
Von meiner Seite nur soviel: Sobald es Neuigkeiten geben sollte bezüglich der wohl bald eingereichten Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der ndf, dann wird an dieser Stelle weiter berichtet werden.
Nun aber zum bitteren Fazit, mit dem der Brief an die bayrische Justizministerin, Fr. Dr. Merk, endet:

„Irgendjemand“ hat eine prinzipielle Gefährdung der beteiligten Komparsen billigend in Kauf genommen. Der verurteilte Pilot sprach in diesem Zusammenhang selbst davon, dass er sehr verwundert gewesen sei, dass „kein weiteres Boot und keine Taucher vorhanden [waren].“ Die mögliche Erklärung lieferte er gleich hinterher: „Ich glaube, dass es auch eine Frage des Geldes war. Vielleicht war es so billiger.“

„Irgendjemand“ hat also höchstwahrscheinlich aus rein monetären Aspekten meinen Vater völlig ungesichert, in einem seeuntauglichen Kanu in die Mitte des 11 Grad kalten Tegernsees geschickt, über dessen Oberfläche in wenigen Metern Abstand ein Helikopter schwebte - haben Sie schon mal daneben gestanden, wie laut das eigentlich ist, wenn ein Hubschrauber landet - und was für einen Wind das verursacht? Ich denke, die drei im Boot hatten schon Angst, bevor es zur Katastrophe kam. Das waren keine Stuntmen, das waren einfache Statisten, Rentner, die sich nebenbei ein bescheidenes Zubrot hinzuverdienen wollten. Und dort waren Sie dann auf dem eiskalten See, ungesichert, keine Schwimmwesten, keine Neoprenanzüge, keine Wasserwacht - und das nur, weil „irgendjemand“ Geld sparen wollte.

Dieser „Irgendjemand“ ist die Neue Deutsche Filmgesellschaft. Aus diesem Grund werde ich mit meinem Anwalt in den nächsten Tagen Anzeige erstatten gegen die Geschäftsführung der NDF sowie gegen die Vorgesetzten des Aufnahmeleiters XXX sowie des Produktionsleiters XXX.

Ich bitte Sie hiermit inständig, Frau Dr. Merk, alles was in Ihrer Macht steht zu tun, dieses Miesbacher Urteil sowie besonders die beiden Verfahrenseinstellungen sehr genau zu überprüfen.

Das Ergebnis des Prozesses ist nämlich im Wortsinne nicht „gerecht“ und ich werde alles tun, um dies auch öffentlich kundzutun.

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Mittwoch, 7. Oktober 2009

Unterschiedliche Sicherheitsvorkehrungen für Komparsen und Schauspieler?

Ein Aspekt, der für die Hinterbliebenen des verunglückten Statisten wohl besonders schmerzhaft zu sein scheint, ist die angeblich unterschiedliche Behandlung von Komparsen und Schauspielern bezüglich der Sicherheitsmaßnahmen. Dass es beim Film, wie auch sonst in der übrigen Berufswelt bestimmte Hackordnungen gibt, und Menschen je nach Status unterschiedliche Privilegien besitzen, ist wohl jedem klar - auch wenn viele dies bedauern mögen. Allerdings darf dies alles nicht soweit gehen, dass an der Sicherheit beim Erstellen der Filmaufnahmen gespart wird, nur weil sich keine hoch bezahlten Schauspieler sondern Statisten am Set befinden. Im Brief des Sohnes findet sich hierzu eine hoch emotionale Anklage:

Die Szene des Unglückstags war nicht die erste, bei der ein Kanu eine Rolle spielen sollte; und es war auch nicht die letzte, laut Produktionsplanung. Eines jedoch war am Unglückstag völlig anders: Weder war die Wasserwacht präsent, noch gab es sonstige Absicherungen.

Hierauf möchte ich nun etwas genauer eingehen: Wie gesagt, es gab bereits eine Kanu-Szene zuvor, die jedoch mit Schauspielern und nicht mit deren Doubles abgedreht wurde. Hierbei sollte das Kanu in unmittelbarer Ufernähe kontrolliert kentern. Aus diesen Gründen trugen die Schauspieler Christiane Hörbiger , Elmar Wepper und Wolfgang Fierek Neoprenanzüge gegen die Kälte. Die Wasserwacht war ebenfalls vor Ort. Des Weiteren war eine zusätzliche Kanu-Szene geplant, in der lediglich ein Dialog der beiden Hauptdarsteller aufgezeichnet werden sollte. Auch für diese als „ungefährlich“ eingestufte Szene war laut Dispositionsliste der Produktion die Wasserwacht fest gebucht.

Worauf ich hinaus möchte: Mein Vater und seine Komparsenkollegen wurden im Hinblick auf die gebotenen Sicherheitsvorkehrungen schlechter behandelt als die Schauspieler, das geht eindeutig aus den Akten hervor. Und dies führte in letzter Konsequenz zu seinem Tod.

Offenbar sind Statisten lediglich ersetzbares Material, somit man sich auch um deren leibliche Sicherheit keine großen Sorgen machen muss. Wir hatten vor Gericht hören müssen, vom Regie-Assistent Herrn XXX nämlich, dass in der Welt der Filmproduktionen nur zu oft „mit zweierlei Maß gemessen wird.“ Und das ist der eigentliche Skandal, der als Strafsache verhandelt wurde. „Irgendjemand“ hat bewusst die Entscheidung getroffen, dass beim Dreh mit den Komparsen nicht dieselben Sicherheitsstandards zu gelten haben, wie zuvor bei den Schauspielern. Diese Entscheidung kann nur in der Vorbesprechung des Unglücksdrehs gefallen sein, und dieses Gespräch fand zwischen den Angeklagten XXX und XXX statt. Leider war es vor Gericht nicht lückenlos zu beweisen, dass die Angeklagten den „genauen Weg des Kanus“ gekannt haben mussten. Auch hier hätte man sich etwas mehr „Druck“ bei der Befragung gewünscht, da die Aussagenden alles andere als „sattelfest“ schienen.

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Freitag, 18. September 2009

Aufnahme der Drehtätigkeit trotz offensichtlicher Gefährdung des Kanus?

Es drehte sich vor Gericht sehr viel um die Frage, ob das Kanu denn wohl "versehentlich" in die Seemitte geraten sein hätte können, etwa durch einen Fehler der Besatzung - oder aber, ob es nicht vielmehr der Fall gewesen war, dass die Kanuten exakt nach Regieanweisung gehandelt hatten, als sie sich in ihrem unsicheren Boot etwa 300 Meter vom Ufer entfernten.
Der Sohn des Verunglückten stellt in diesem Zusammenhang die einfache Frage, warum denn, falls das Kanu irrtümlich "so weit draußen" war, die eigentlichen Filmaufnahmen überhaupt begonnen hatten. Hätte denn nicht vielmehr, so wird weiter argumentiert, die Filmcrew das Kanu sofort zum Ufer zurück beordern müssen, da es sich laut Behauptung der Angeklagten ja angeblich in der falschen Position befunden haben sollte? Hätte das nicht letztendlich zu Aufnahmen geführt, die der "kreativen Denke" des Regisseurs zuwider gelaufen wären? Fakt ist, die Aufnahmen wurden gestartet ...

Wie bereits weiter oben angesprochen, baute die Verteidigung ihre Argumentation hauptsächlich darauf auf, dass sämtliche Angeklagten nicht wussten, dass das Kanu während der Szene die Ufernähe jemals verlassen sollte. Angeblich wurden ja nur deshalb keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen, weil das Kanu eben „nur ein bisschen am Ufer herum paddeln sollte.“ Dass dies schon aus Sicht der Regieanweisungen und der künstlerischen Ausgestaltung der Szene gar nicht stimmen kann, wurde bereits weiter oben ausgeführt.

Die Unsinnigkeit der Argumentation der Verteidigung wird aber noch wesentlich deutlicher, wenn man das Verhalten sämtlicher Beteiligter zu dem Zeitpunkt betrachtet, an dem die Position des Kanus in der Seemitte von der Hubschrauberbesatzung gesehen wurde: Obwohl das Kanu mit einem Funkgerät ausgestattet war, wurden die Kanuten nicht etwa aufgefordert, sofort die Seemitte zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Nein, vielmehr wurde nun trotz der offensichtlich gefährlichen Position des Kanus mit den Filmaufnahmen begonnen! Der Hubschrauber umkreiste das Boot dreimal, die letzte Runde wurde in weniger als zehn Metern Höhe geflogen, was den Insassen dann letztendlich zum Verhängnis wurde.

Der Aufnahmeleiter stand übrigens auch in direktem Funkkontakt zum Hubschrauber. Warum, in Gottes Namen, wurde hier nicht sofort das Abbruch-Signal gegeben?

Zusammenfassend ist unsere Meinung, dass die Filmaufnahmen exakt so durchgeführt wurden, wie dies im Storyboard des Regisseurs auch aufgezeichnet war: Ein Kanu rudert von der Mitte des Sees zum Ufer! Es ist schwer zu glauben, dass nicht alle Beteiligten vor Ort, besonders der Aufnahmeleiter XXX, nicht davon gewusst haben sollten. Wenn nicht einmal der Leiter der Aufnahmen über die entscheidenden Details einer geplanten Sequenz Bescheid wüsste, wie stümperhaft würde denn dann eine Firma wie die NDF arbeiten? Eine Firma, die ja immerhin Produktionen für das ZDF durchführt und laut Lexikon „größter unabhängiger Produzent fiktionaler Programme in Deutschland“ sein soll.

Montag, 7. September 2009

Fehlende Abstimmung zwischen Kreation und Produktion der NDF?

In der Diskussion zum letzten Posting dieses Blogs wurde bereits die Frage nach der "künstlerischen Absicht" des "Todesdrehs" gestellt. Sollte hier etwa eine Detailaufnahme ("close up") eingespielt werden, oder handelte es sich hingegen um eine sogenannte "Totale", also eine Landschaftsaufnahme, in welcher das Boot nur aus großer Höhe zu sehen sein sollte. Der Sohn des Verunglückten erörtert in seinem offenen Brief relativ schlüssig, dass die Szene wohl offensichtlich als Landschaftsaufnahme konzipiert gewesen sein musste, sich das Boot zum Zeitpunkt des Unglücks daher also planmässig in der Mitte des Sees befunden haben dürfte, und somit die ndf offenbar trotz vorhersehbarer Gefährdung auf Sicherheitsmaßnahmen verzichtet habe. Aus Kostengründen etwa?

All diese offenen Fragen könnten wohl nur von der Kreativ-Abteilung der Neuen Deutschen Filmgesellschaft selbst beantwortet werden - diese hielt sich offenbar vor Gericht aber äußerst bedeckt:

Bei der Vernehmung des Regisseurs erfuhr das Gericht von der Existenz eines sogenannten „Storyboards“. Es handelt sich hierbei um ein Skizzenbuch, welches die geplanten Filmeinstellungen graphisch darstellt. Die relevante Szene für den Unglücksdreh zeigt ein Kanu in der Mitte des Sees. Die beiden Beschuldigten der NDF, der Aufnahmeleiter sowie der Produktionsleiter leugneten, von dieser Skizze überhaupt gewusst, geschweige denn diese gesehen zu haben. Weiß man nun aber, dass der Assistent des Regisseurs mit den beiden Komparsen selbst im Kanu saß und die Ruderanweisungen gegeben hat, so ist es mehr als fraglich, ob der Produktionsverantwortliche vor Ort, Herr XXX, nichts von der exakten Durchführung des Drehs gewusst haben dürfte – dies zu wissen sollte nämlich so etwas wie die Kernaufgabe seiner Stellenbeschreibung sein!

Auch unter professionellen, ästhetischen Regie-Aspekten sollte davon ausgegangen werden, dass sich das Kanu laut Originalplan der Kreativen nicht nur in „absoluter Ufernähe“ aufhalten sollte, wie dies von Produktions- und Aufnahmeleiter behauptet wurde: Der Dreh sollte nämlich die Eröffnungsszene des Films darstellen und war als sogenannte „Totale“ geplant, also als eine Aufnahme, die sowohl den See, als auch die Ortschaften, Berge sowie den Himmel zeigen sollte. Innerhalb dieser „Panoramaaufnahme“ sollte sich das Kanu laut Drehbuch „vom See her in Richtung auf ein Haus am Ufer bewegen“. Diese Wirkung kann aber in einer längeren Sequenz wohl kaum erzielt werden, wenn das Kanu bereits zu Beginn der Szene „in absoluter Ufernähe“ ist! Daher liegt es nahe, dass sich das Kanu zu Beginn dieser „Panoramaaufnahme“ durchaus weit draußen im See befinden sollte, genau dort nämlich, wo dies im Storyboard des Regisseurs auch skizziert war. Insofern kann man wohl sämtliche Aussagen der Angeklagten, das Kanu sollte „einfach nur in Ufernähe herum paddeln“, als Schutzbehauptungen verstehen.

Auf diese oben skizzierten, einfach zu verstehenden Zusammenhänge wurde vor Gericht allerdings nicht zur Genüge eingegangen!

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Freitag, 28. August 2009

Fehlende Motivation für Unglücksflug

Offenbar blieben einige weitere Ungereimtheiten des Drehtages auch vor Gericht unklar. Nur eines ist klar: Insgesamt hat der Hubschrauber das Kanu der drei Statisten dreimal umkreist. Die ersten beiden Runden wurden wohl in ausreichender Höhe über dem Boot gezogen. Aus irgendeinem Grund ist der Hubschrauber dann beim dritten Anflug deutlich tiefer gegangen. Aber genau dieser Grund, der blieb wohl vor Gericht im Nebel der "Erinnerungslücken" der Hubschrauberbesatzung verborgen. Der Pilot schwieg hierzu eisern, der Rest der Besatzung konnte sich schlicht an fast nichts erinnern. Offenbar gab es auch einige "Schutzbehauptungen", wie folgender Ausschnitt aus dem offenen Brief des Sohnes des Verstorbenen andeutet:

Die Aussagen der Hubschrauberbesatzung bezüglich der „dritten Schleife“, die der Hubschrauber in weniger als zehn Metern Höhe über dem Kanu gezogen hat, und die letztendlich dann zur Katastrophe führte, sind mehr als widersprüchlich.

Es wurde etwa behauptet, die letzte, die tödliche Schleife wurde nur deshalb geflogen, weil auf den vorherigen Aufnahmen der Schatten des Hubschraubers zu sehen war. Die Videoaufnahmen haben eindeutig belegt, dass dies nicht der Fall war. Dennoch wurde dies von der Hubschrauberbesatzung vor Gericht fast einstimmig behauptet. Man hätte sich hier seitens des Gerichts noch stärkeres Nachfragen gewünscht!

Der Hubschrauberpilot, der auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung zurückblicken kann, gab außerdem die Überflugshöhe der letzten Schleife in der Verhandlung mit „etwa 30 Metern“ an. Dies, obwohl seiner Verteidigung das Gutachten eines bestellten Experten vorab bekannt gewesen sein musste, welches seine Flughöhe als „unter zehn Metern“ eindeutig bestimmte. Auch das vor Gericht gezeigte Beweisvideo machte deutlich, dass die Kufen des Hubschraubers fast schon „zum Greifen nahe“ für die Kanuten gewesen waren.
Auch nach mehrfacher Aufforderung von Richter und Staatsanwalt, „nun doch endlich sein Gewissen zu erleichtern“, war dem Piloten jedoch nicht zu entlocken, warum er erstens überhaupt so tief geflogen war und warum er zweitens so tat, als könnte er sich an die tatsächliche Flughöhe nicht mehr erinnern. Das Gericht hat zwar eindeutige Vermutungen angestellt, dass die Kreativabteilung der NDF den Piloten „wohl zum Tiefflug“ verführt haben könnte, konnte dies aber nicht eindeutig belegen.
Man muss sich freilich aber mehr als wundern, warum ein Mann, dessen Existenz als Berufspilot durch einen Schuldspruch nun so gut wie vernichtet wurde, überhaupt nichts tat, um sich für die „Irrationalität seiner Handlung“ zu rechtfertigen.

Natürlich kann nur das verurteilt werden, was auch beweisbar ist. Man hätte sich jedoch deutlich mehr Druck auf die Angeklagten sowie auf die als Zeugen auftretende Besatzung des Hubschraubers gewünscht, besonders da das Gericht ja in der Urteilsverkündung ganz offen von „offensichtlichen Lügen“ sprach. „Jemand hat Mist gebaut“, das stimmt, und zwar war dies der Pilot. Aber jemand anderes hat ihm mit großer Wahrscheinlichkeit gesagt, dass er „diesen Mist bauen soll“ – und dies, meiner unbewiesenen Meinung nach, einfach nur deshalb, um bessere Filmaufnahmen zu bekommen!

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Dienstag, 25. August 2009

Fehlende Drehgenehmigung für Unglückstag?

Noch sind es nur Gerüchte. Aber offenbar war für den fraglichen Tag des Unfalls gar keine Filmszene auf dem Tegernsee geplant. Aus diesen Gründen hatte die Filmfirma wohl auch gar keine Drehgenehmigung beantragt. Eventuell um sich ein paar hundert Euro zu sparen?

Offenbar brachte die Verhandlung auch diesen Aspekt nicht zur Diskussion:

Offenbar fehlte für den Unglückstag sogar die Drehgenehmigung für den Tegernsee. Dies ist ein weiteres Indiz, dass beim Dreh „improvisiert“, besser gesagt „geschlampt“ wurde. Eine Drehgenehmigung hätte außerdem mit weiteren Euro zu Buche geschlagen. Auch dies verstärkt den schalen Beigeschmack der ganzen Geschichte, dass hier gespart wurde, wo nur immer möglich – letztendlich mit tödlichen Konsequenzen.

Ohne Drehgenehmigung sollte die NDF jedoch direkt für sämtliche Schäden verantwortlich sein, die aufgrund dieses „illegalen Drehs“ entstanden sind. Auch dieser Aspekt ging in der Verhandlung völlig unter.

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Mittwoch, 19. August 2009

Unglückskanu für See-Einsatz gar nicht zugelassen?

In seinem Brief geht der Sohn aber nicht nur auf die unzureichend geklärten Fragen der Verantwortlichkeit ein, sondern er verweist auch auf die fehlende Diskussion über ganz praktische Versäumnisse der NDF-Produktion: Offenbar war das Unglückskanu gar nicht legal auf dem See unterwegs:

Aufgrund der bereits beschriebenen lückenhaften Aufklärungsarbeit bezüglich der Verantwortung für Sicherheitsfragen wurden entscheidende Versäumnisse der NDF erst gar nicht vor Gericht angeführt.
Ein entscheidender Punkt in diesem Zusammenhang wäre etwa, dass das eingesetzte Kanu laut TÜV-Gutachten gar nicht erst für einen See zugelassen war. Insofern war die langwierige Diskussion während der Gerichtsverhandlung, wer denn nun genau wann davon wusste, wie weit sich das Kanu mit den ungesicherten Komparsen vom Ufer entfernen hätte sollen oder dürfen, im Prinzip völlig irrelevant. Das kiellose Kanu war schlicht und ergreifend für einen See nicht geeignet und daher auch nicht für diesen zugelassen!

Die gefährlichen, und letztendlich tödlichen Konsequenzen hätten laut TÜV sehr einfach verhindert werden können: „Bei Verwendung eines nach BaySchO zugelassenen Mietbootes mit ausreichender Intaktstabilität und Leckstabilität wäre einerseits die Kentersicherheit deutlich höher gewesen, andererseits wäre das Boot, wenn es dennoch gekentert wäre, in stabiler Schwimmlage verblieben“. Laut Zeugenaussagen der Überlebenden hatten diese größte Schwierigkeiten, sich am Boot festzuhalten, da sich dieses permanent um die eigene Achse drehte.

Niemand auf Seiten der NDF hatte die Seetauglichkeit des Bootes vorab prüfen lassen. Leider wurde dieser entscheidende Aspekt vor Gericht nicht verhandelt.

Für „andere“ Einsätze des Kanus wären übrigens strengste Sicherheitsmaßnahmen wie etwa Kenterschläuche und Rettungswesten zwingend vorgeschrieben gewesen!.

Dienstag, 18. August 2009

Fehlende oder unklare Zuständigkeiten für Sicherheitsfragen bei Filmarbeiten der NDF

Ein Hauptanklagepunkt des Sohnes, welcher als Nebenkläger dem Prozess in Persona beiwohnte, war die mangelhafte Aufklärung der Zuständigkeit für die Sicherheit am Drehort:

Die Produktionsfirma NDF hat die Dreharbeiten durchgeführt und ist somit nach den einschlägigen Bestimmungen der zuständigen Berufsgenossenschaft wohl auch für das Einhalten der Sicherheitsbestimmungen verantwortlich. Durch eine Klausel in den Arbeitsverträgen wurde diese Verpflichtung auf die NDF-Arbeitnehmer delegiert oder besser gesagt, sie wurde auf diese „abgewälzt“. Nun ist es aber offenbar umstritten, ob denn diese Klausel überhaupt rechtens sei. Leider wurde dies vor Gericht nicht einmal in Ansätzen abgeklärt!

Des Weiteren wurde argumentiert, dass denjenigen Angeklagten, die auf NDF-Seite von der Staatsanwaltschaft als „direkte Verantwortliche“ für den Dreh ausgemacht wurden (der Aufnahmeleiter XXX sowie der Produktionsleiter XXX), kein „direktes Wissen von der genauen Ausgestaltung und somit der Gefahrenlage“ des fraglichen Drehs nachgewiesen werden konnte. Da bei beiden darüber hinaus auch kein „technisches Wissen bzgl. der Sicherheit von Wasserfahrzeugen“ vorausgesetzt werden konnte, wären die Angeklagten, laut Argumentation des Gerichts, auch nicht direkt für die unterlassenen Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich zu machen. Eine aus unserer Sicht nicht vertretbare Meinung: Wenn man sich als verantwortungstragender Arbeitnehmer nämlich über etwas, was per Definition in den eigenen Aufgabenbereich fällt, nicht auskennt, dann muss man sich darüber informieren oder die Aufgabe delegieren!

In letzter Konsequenz sah es nun vor Gericht so aus, als wären weder die NDF selbst, vertreten durch die Geschäftsführer , noch deren „beauftragte Arbeitnehmer“ für die Absicherung der Drehs verantwortlich.

Ein neutraler Beobachters der Gerichtsverhandlung zweifelt bei einer solchen Argumentation wohl an seinem gesunden Menschenverstand, die Angehörigen des Opfers jedoch laufen fast schon Gefahr, aufgrund solcher „juristischer Winkelzüge“ innerhalb der Grauzone unseres Rechtssystems den eigenen Verstand zu verlieren.

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Der offene Brief - Die Einleitung

In seinem Brief an Frau Dr. Merk fasst der Sohn des Verunglückten den Verlauf des Prozesses wie folgt zusammen:

Sehr geehrte Frau Dr. Merk,

vor dem Amtsgericht Miesbach wurde am 06. und 07. Juli der Unfalltod meines Vaters, Herrn Horst Huber, verhandelt. Horst Huber war am 11.10.2007 bei Filmaufnahmen der NDF im Tegernsee ertrunken, als das Kanu, in dem er gesessen hatte, durch den Propellerwind eines Hubschraubers zum Kentern gebracht wurde.

Von den drei Beschuldigten wurde einer, der Pilot des Unglückshelikopters, zu einer Geldstrafe von 3600 Euro (120 Tagessätze) verurteilt. Die anderen beiden Angeklagten, der Aufnahmeleiter sowie der Produktionsleiter der verantwortlichen Produktionsfirma Neue Deutsche Filmgesellschaft (NDF), erlangten eine Einstellung des Verfahrens gegen die Zahlung einer geringen Geldbuße.

In der Urteilsverkündung erklärte der Richter wörtlich, dass in diesem Gerichtssaal „gelogen wurde, auf dass sich die Balken gebogen hätten“. Ferner sprach er mich als Nebenkläger direkt an, um sich für die „lückenhafte Indizienkette“ zu rechtfertigen, die letztendlich zu den beiden Verfahrenseinstellungen geführt habe. Offenbar gab es wohl auch Schwierigkeiten, in dem „Geschwür von Verträgen“ die eigentlichen Verantwortlichkeiten lückenlos zu klären.

Wir als Familie des Verstorbenen halten dieses Urteil für einen juristischen, aber besonders auch für einen moralischen Skandal. Warum dies so ist, möchte ich im Folgenden gerne ausführen.

Zunächst aber ein paar kurze Worte über unsere eigenen Gefühle, ein paar Tage nach diesem „Skandal-Urteil“: Wir erhofften uns von diesem Prozess ein "gerechtes" Urteil, welches es uns ermöglichen sollte, schlimme Gefühle wie "Wut" und "Verzweiflung" ein wenig hinter uns lassen zu können, um von da an dann endlich mit der eigentlichen Trauerarbeit voranzukommen. Den Verstorbenen kann sowieso keiner mehr zurückholen, aber wir wünschten uns zutiefst, dass diese unsagbare Schweinerei nicht völlig ungesühnt bleiben dürfte. Nur so hätten meine Familie und ich wieder etwas Ruhe finden können. Das nun gefällte Urteil verhindert leider auch diese bescheidenen Wünsche!

Im folgenden fragt der Sohn sich letzendlich:

Was ist bei diesem Prozess so unendlich schief gelaufen?

Im weiteren Verlauf des Briefes listet er detailiert auf, was denn tatsächlich seiner Meinung nach "schief gelaufen" sein könnte. Diese Details werden wir hier in den nächsten Postings ebenfalls veröffentlichen.

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Der Tod eines Komparsen - die Schlagzeile

"Bei einem Dreh zur Serie 'Zwei Ärzte sind einer zuviel' ertrank ein Komparse im Tegernsee nachdem das Kanu, in dem der Mann mit zwei weiteren Statisten gesessen war, durch den Abwind eines Hubschraubers zum Kentern kam. Im darauf folgenden Strafprozess wurde der Hubschrauberpilot wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt, gegen zwei ebenfalls angeklagte Angestellte der Firma Neuen Deutschen Filmegesellschaft (NDF), welche für die Aufnahmen verantwortlich war, wurden die Verfahren hingegen eingestellt. (Quelle: Wikipedia).

Das Unglück sowie der Prozess erfuhren breites Medienecho (Münchner Merkurs, TZ München). Unser Blog "Tod eines Komparsen der ndf" möchte die Hintergründe des Strafverfahrens anschaulich machen. Aus diesem Grund werden hier zunächst einige Passagen eines offenen Briefes veröffentlicht, welchen der Sohn des Verunglückten an die bayrische Justizministerin, Frau Dr. Merk, geschickt hat.

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