Freitag, 18. September 2009

Aufnahme der Drehtätigkeit trotz offensichtlicher Gefährdung des Kanus?

Es drehte sich vor Gericht sehr viel um die Frage, ob das Kanu denn wohl "versehentlich" in die Seemitte geraten sein hätte können, etwa durch einen Fehler der Besatzung - oder aber, ob es nicht vielmehr der Fall gewesen war, dass die Kanuten exakt nach Regieanweisung gehandelt hatten, als sie sich in ihrem unsicheren Boot etwa 300 Meter vom Ufer entfernten.
Der Sohn des Verunglückten stellt in diesem Zusammenhang die einfache Frage, warum denn, falls das Kanu irrtümlich "so weit draußen" war, die eigentlichen Filmaufnahmen überhaupt begonnen hatten. Hätte denn nicht vielmehr, so wird weiter argumentiert, die Filmcrew das Kanu sofort zum Ufer zurück beordern müssen, da es sich laut Behauptung der Angeklagten ja angeblich in der falschen Position befunden haben sollte? Hätte das nicht letztendlich zu Aufnahmen geführt, die der "kreativen Denke" des Regisseurs zuwider gelaufen wären? Fakt ist, die Aufnahmen wurden gestartet ...

Wie bereits weiter oben angesprochen, baute die Verteidigung ihre Argumentation hauptsächlich darauf auf, dass sämtliche Angeklagten nicht wussten, dass das Kanu während der Szene die Ufernähe jemals verlassen sollte. Angeblich wurden ja nur deshalb keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen, weil das Kanu eben „nur ein bisschen am Ufer herum paddeln sollte.“ Dass dies schon aus Sicht der Regieanweisungen und der künstlerischen Ausgestaltung der Szene gar nicht stimmen kann, wurde bereits weiter oben ausgeführt.

Die Unsinnigkeit der Argumentation der Verteidigung wird aber noch wesentlich deutlicher, wenn man das Verhalten sämtlicher Beteiligter zu dem Zeitpunkt betrachtet, an dem die Position des Kanus in der Seemitte von der Hubschrauberbesatzung gesehen wurde: Obwohl das Kanu mit einem Funkgerät ausgestattet war, wurden die Kanuten nicht etwa aufgefordert, sofort die Seemitte zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Nein, vielmehr wurde nun trotz der offensichtlich gefährlichen Position des Kanus mit den Filmaufnahmen begonnen! Der Hubschrauber umkreiste das Boot dreimal, die letzte Runde wurde in weniger als zehn Metern Höhe geflogen, was den Insassen dann letztendlich zum Verhängnis wurde.

Der Aufnahmeleiter stand übrigens auch in direktem Funkkontakt zum Hubschrauber. Warum, in Gottes Namen, wurde hier nicht sofort das Abbruch-Signal gegeben?

Zusammenfassend ist unsere Meinung, dass die Filmaufnahmen exakt so durchgeführt wurden, wie dies im Storyboard des Regisseurs auch aufgezeichnet war: Ein Kanu rudert von der Mitte des Sees zum Ufer! Es ist schwer zu glauben, dass nicht alle Beteiligten vor Ort, besonders der Aufnahmeleiter XXX, nicht davon gewusst haben sollten. Wenn nicht einmal der Leiter der Aufnahmen über die entscheidenden Details einer geplanten Sequenz Bescheid wüsste, wie stümperhaft würde denn dann eine Firma wie die NDF arbeiten? Eine Firma, die ja immerhin Produktionen für das ZDF durchführt und laut Lexikon „größter unabhängiger Produzent fiktionaler Programme in Deutschland“ sein soll.

Montag, 7. September 2009

Fehlende Abstimmung zwischen Kreation und Produktion der NDF?

In der Diskussion zum letzten Posting dieses Blogs wurde bereits die Frage nach der "künstlerischen Absicht" des "Todesdrehs" gestellt. Sollte hier etwa eine Detailaufnahme ("close up") eingespielt werden, oder handelte es sich hingegen um eine sogenannte "Totale", also eine Landschaftsaufnahme, in welcher das Boot nur aus großer Höhe zu sehen sein sollte. Der Sohn des Verunglückten erörtert in seinem offenen Brief relativ schlüssig, dass die Szene wohl offensichtlich als Landschaftsaufnahme konzipiert gewesen sein musste, sich das Boot zum Zeitpunkt des Unglücks daher also planmässig in der Mitte des Sees befunden haben dürfte, und somit die ndf offenbar trotz vorhersehbarer Gefährdung auf Sicherheitsmaßnahmen verzichtet habe. Aus Kostengründen etwa?

All diese offenen Fragen könnten wohl nur von der Kreativ-Abteilung der Neuen Deutschen Filmgesellschaft selbst beantwortet werden - diese hielt sich offenbar vor Gericht aber äußerst bedeckt:

Bei der Vernehmung des Regisseurs erfuhr das Gericht von der Existenz eines sogenannten „Storyboards“. Es handelt sich hierbei um ein Skizzenbuch, welches die geplanten Filmeinstellungen graphisch darstellt. Die relevante Szene für den Unglücksdreh zeigt ein Kanu in der Mitte des Sees. Die beiden Beschuldigten der NDF, der Aufnahmeleiter sowie der Produktionsleiter leugneten, von dieser Skizze überhaupt gewusst, geschweige denn diese gesehen zu haben. Weiß man nun aber, dass der Assistent des Regisseurs mit den beiden Komparsen selbst im Kanu saß und die Ruderanweisungen gegeben hat, so ist es mehr als fraglich, ob der Produktionsverantwortliche vor Ort, Herr XXX, nichts von der exakten Durchführung des Drehs gewusst haben dürfte – dies zu wissen sollte nämlich so etwas wie die Kernaufgabe seiner Stellenbeschreibung sein!

Auch unter professionellen, ästhetischen Regie-Aspekten sollte davon ausgegangen werden, dass sich das Kanu laut Originalplan der Kreativen nicht nur in „absoluter Ufernähe“ aufhalten sollte, wie dies von Produktions- und Aufnahmeleiter behauptet wurde: Der Dreh sollte nämlich die Eröffnungsszene des Films darstellen und war als sogenannte „Totale“ geplant, also als eine Aufnahme, die sowohl den See, als auch die Ortschaften, Berge sowie den Himmel zeigen sollte. Innerhalb dieser „Panoramaaufnahme“ sollte sich das Kanu laut Drehbuch „vom See her in Richtung auf ein Haus am Ufer bewegen“. Diese Wirkung kann aber in einer längeren Sequenz wohl kaum erzielt werden, wenn das Kanu bereits zu Beginn der Szene „in absoluter Ufernähe“ ist! Daher liegt es nahe, dass sich das Kanu zu Beginn dieser „Panoramaaufnahme“ durchaus weit draußen im See befinden sollte, genau dort nämlich, wo dies im Storyboard des Regisseurs auch skizziert war. Insofern kann man wohl sämtliche Aussagen der Angeklagten, das Kanu sollte „einfach nur in Ufernähe herum paddeln“, als Schutzbehauptungen verstehen.

Auf diese oben skizzierten, einfach zu verstehenden Zusammenhänge wurde vor Gericht allerdings nicht zur Genüge eingegangen!

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