Mittwoch, 30. Dezember 2009

Strafanzeige gegen die Geschäftsführung der ndf

Einen Monat vor Beginn des Berufungsverfahrens gegen den Unglückspiloten haben die Anwälte der Familie nun Strafanzeige gegen die Geschäftsführer der ndf gestellt. Hier nun der Wortlaut der Anzeige:

Staatsanwaltschaft München II
Arnulfstr. 16-18
80335 München

S t r a f a n z e i g e u n d S t r a f a n t r a g

gegen 1. XXX, c/o neue deutsche Filmgesell-
schaft mbH, Kanalstraße 7, 85774 Unterföhring

2. XXX, c/o neue deutsche Filmgesellschaft mbH,
Kanalstraße 7, 85774 Unterföhring

3. XXX, XXX, 12683 Berlin

und zeigen unter Vorlage der in der Anlage beigefügten Strafprozessvollmachtskopie an, dass wir Herrn Dr. Oliver Huber, xxx, xxx, anwaltlich vertreten.

Namens und in Vollmacht unseres Mandanten stellen wir

S t r a f a n t r a g

wegen fahrlässiger Tötung sowie wegen aller anderen in Betracht kommender Straftatbe-stände und erstatten namens und in Vollmacht unseres Mandanten

S t r a f a n z e i g e

gegen die Beschuldigten und bitten höflich um weitere Veranlassung.

I.

Zum Sachverhalt führen wir Folgendes aus:

Am 11.10.2007 fanden auf dem Tegernsee Filmaufnahmen der neue deutsche Filmgesell-schaft (ndF GmbH) für den Film „Zwei Ärzte sind einer zuviel“ im Auftrag des ZDF statt. Am Drehtag 11.10.2007 sollten drei Komparsen mit einem Kanu der Marke „Gatz Cherokee 500“ kostümiert und ohne Schwimmwesten auf den Tegernsee rudern, wobei mittels eines Hub-schraubers der Marke „Bell 2006 Longranger L3“ die Anfertigung von Luftaufnahmen erfol-gen sollte. Zu diesem Zweck startete der Berufspilot XXX, geb. am 10.06.1960, Egling 2, 84431 Rattenkirchen, mit Angehörigen des Filmteams am 11.10.2007 gegen 12.15 Uhr in Kreuth, Landkreis Miesbach, mit dem Hubschrauber, wobei sich der Hub-schrauber infolge der Besetzung mit fünf Personen an der Belastungsgrenze befand.

Nach der Aufnahme von Landschaftsbildern näherte sich gegen 12.30 Uhr der Pilot XXX dem Kanu auf eine Höhe von maximal 10 Meter und auf eine Entfernung von ma-ximal 2 Rotorendurchmessern. Das Kanu befand sich zu diesem Zeitpunkt nördlich der Ort-schaft Steinfeld, Gemeinde Tegernsee, Landkreis Miesbach. Durch den Rotorenabstrahl des Luftfahrzeugs kenterte das Kanu, an dem keine Kenterschläuche angebracht waren, was dazu führte, dass der Geschädigte Horst Huber sowie die weiteren Komparsen in den nur 11,5 Grad kalten Tegernsee stürzten. Obgleich sich maximal zehn Minuten nach dem Unfall Herr XXX sowie weitere Personen mit einem Boot den Gekenterten näherten, konnte nicht verhindert werden, dass sich der mit einem schweren Lederkostüm bekleidete Geschädigte Horst Huber, der schwimmen konnte, infolge Erschöpfung nicht mehr über Wasser halten konnte, unterging und ertrank. Die Wassertiefe an der Unfallstelle betrug 39 Meter.

Der Geschädigte Horst Huber hatte bei Fertigung dieser Filmszene weder einen Neoprenanzug noch eine Schwimmweste getragen. Die Wasserwacht Bad Wiessee wurde für den 11.10.2007 nicht mit Sicherungsmaßnahmen beauftragt. Diese war nur für Dreharbeiten mit den Originalschauspielern am 09.10.2007 und 12.10.2007 beauftragt worden. Eine Einwei-sung der Geschädigten in die Handhabung des Kanus erfolgte entgegen § 17 Abs. 2 BGV C1 nicht. An dem Kanu waren keine Kenterschläuche angebracht. Somit war das Kanu vom Typ Cherokee 500 für die Verwendung der Dreharbeiten nicht zulässig. Sämtliche Umstände hätten durch Nachfrage bei den zuständigen Behörden, insbesondere der zuständigen Berufsgenossenschaft, unschwer erfragt werden können. Die Beschuldigten waren am 11.10.2007 Geschäftsführer der ndF GmbH, der Beschuldigte zu 3) der Herstellungsleiter und somit für die Einhaltung der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften rechtlich verantwortlich.

Der objektiv und für die Beschuldigten vorhersehbare Unfall und seine schweren Folgen hät-tem bei Einhaltung der folgenden Vorschriften vermieden werden können:

Nach § 4 Abs. 1 der BGV A1 hätten die Komparsen über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei den Dreharbeiten, insbesondere über die mit den Dreharbeiten verbundenen Gefährdungen und die Maßnahmen zu ihrer Verhütung entsprechend § 12 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz unterwiesen werden müssen. Diese Unterweisung hätte dokumentiert werden müssen.

Nach § 7 Abs. BGV A1 hätte vor Anordnung der Dreharbeiten geprüft werden müssen, ob die Komparsen befähigt waren zu schwimmen, und die berufsgenossenschaftlichen Bestim-mungen und Maßnahmen waren einzuhalten.

Nach § 23 BGV A1 hätten geeignete organisatorische Schutzmaßnahmen getroffen oder erforderlichenfalls Schutzausrüstungen zur Verfügung gestellt werden müssen, zumal die Komparsen im Freien beschäftigt wurden und infolge des Wettergeschehens Unfall- und Gesundheitsgefahren bestanden.

Nach § 24 BGV A1 hätte der Beschuldigte dafür Sorge tragen müssen, dass das zur Ersten Hilfe und zur Rettung aus Gefahr erforderliche Personal zur Verfügung steht. Nach § 25 Abs. 1, 3 BGV A1 hätten Rettungsgeräte und Rettungstransportmittel bereitgehalten werden müssen. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 BGV C1 hätte ein Ersthelfer zur Verfügung gestellt werden müssen.

Die Beschuldigten hätten somit den Unfall und seine schweren Folgen vermeiden können, wenn er die vorbezeichneten berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften eingehalten und insbesondere Personal der Wasserwacht während des Drehtages bestellt hät-ten. Der Tod des Geschädigten Huber wäre auch vermieden worden, wenn die Beschuldigten, wozu sie aufgrund der vorbezeichneten Vorschriften verpflichtet waren, dem Geschädigten eine Schwimmweste oder einen Neoprenanzug zur Verfügung gestellt hätten.

II.

Aufgrund des geschilderten Sachverhalts besteht daher der Verdacht, dass die Beschuldig-ten sich einer fahrlässigen Tötung strafbar gemacht haben. Namens und in Vollmacht unseres Mandanten wird daher gebeten, zeitnah die erforderlichen Ermittlungen gegen die Beschuldigten aufzunehmen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft München II unter dem Aktenzeichen: 51 Js 38528/07 bereits ein Ermittlungsverfahren gegen drei anderweitig Beschuldigte geführt hat. Mit Urteil des Amtsgerichts Miesbach vom 08.07.2009 wurde der Berufspilot XXX zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je € 30,00 verurteilt (vgl. die in der Anlage beigefügte Urteilsabschrift).

Das Strafverfahren gegen die anderweitig Verfolgten XXX, geb. am 25.06.1953 in Hamburg, Frundsbergstr. 31, 80634 München, sowie gegen Herrn XXX, geb. am 01.05.1967 in München, Görzer Str. 33, 81669 München, wurde jeweils gegen Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153 a Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt.

III.

Nach Durchführung der entsprechenden Ermittlungen wird bereits jetzt die Gewährung von

Akteneinsicht

für die Dauer von drei Tagen durch Übersendung der amtlichen Ermittlungsakte in unsere Kanzlei beantragt.

Die unverzügliche Rückgabe der Ermittlungsakte nach erfolgter Akteneinsicht wird anwaltlich versichert.

Bereits jetzt wird mitgeteilt, dass auf die Übersendung einer etwaigen Einstellungsverfügung nicht verzichtet wird.

Sollte die Ermittlungsbehörde den Anzeigeerstatter für weiter darlegungs- und/oder beweisbedürftig erachten, wird höflich um einen entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Hinweis gebeten.

Jürgen Langer
Rechtsanwalt

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2 Kommentare:

Anonymous Anonym meinte...

mein gott, die lage ist doch so eindeutig. wie konnte man da nur bei dem ersten urteil so blind sein!

11. Januar 2010 um 23:06  
Anonymous Anonym meinte...

Die Presse hat das Thema ja auch schon wieder aufgegriffen (Artikel in der Abendzeitung München ). Vielleicht wird der Druck ja doch mal so groß auf diese ndf, dass die mal den arsch in der hose haben und sagen, "ja, da haben wir scheiße gebaut und das tut uns leid".

14. Januar 2010 um 11:25  

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